sven kalden
Der U-Bahnhof Alexanderplatz der Linie U2 empfängt seine Gäste in neuem Gewand. Rote und silberne Wimpelketten zieren die Decke der Station und verwandeln die gesamte Länge des Bahnsteiges in einen glitzernden Präsentationsraum. Die Signalfarben lassen an der Bedeutung der Installation keinen Zweifel: hier will jemand Aufmerksamkeit erregen. Wenn die ein- und ausfahrenden Züge die Wimpel zum Flattern bringen, dann fragt sich auch der normalerweise neuen Reizen gegenüber immune Großstadtbewohner, wofür hier geworben wird. Die Vorweihnachtszeit verleitet zum Gedanken, die BVG könnte hier nach dem Motto „Steigerung der Aufenthaltsqualität auf Berliner U-Bahnhöfen“ ihren Kunden ein weihnachtliches Ambiente bieten wollen. Die Installation des Berliner Künstlers Sven Kalden ist jedoch weit mehr als nur eine Dekoration.
Die Platzierung der im Gebrauchtwagenhandel üblichen Wimpelketten – hier eine Sonderanfertigung nach amerikanischem Muster – in fremdem Kontext wirft Fragen nach heutigen Werbestrategien auf. Einerseits stehen die Wimpelketten für selbstbezügliches Werben in Ermangelung eines Produktes, andererseits verweisen sie auf die heute im Stadtmarketing üblichen Inszenierungseffekte, die ohne tiefsinnigeren Bezug zur urbanen Situation gesetzt werden. Auch der Titel „Typenoffen“ – ein Begriff, der im Autohandel Offenheit für alle Fahrzeugmarken signalisiert – kann im Sinne dieses selbstreflexiven Werbens interpretiert werden. In Anlehnung an Walter Benjamins These vom Verlust der Aura eines Kunstwerkes im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit kommt Kalden zu dem Umkehrschluss, dass das Werbemittel im Zeitalter seiner künstlerischen Reproduzierbarkeit durch die Reproduktion singularisiert wird und an Aura und Einzigartigkeit gewinnt.
Heike Catherina Mertens